Wir alle sind einmal zur Schule gegangen, erinnern uns an Freunde, Lehrer, Prüfungen und an das Gebäude. Haben wir uns dort wohl gefühlt und erinnern wir uns gern?
Das Gebäude I der Realschule – Süd wurde 1975 in Stahlbetonskelettbauweise mit Flachdach und Waschbetonfassade errichtet. Im Rahmen eines Sanierungskonzeptes konnte zwischen 2004 und 2007 das defekte Dach erneuert werden. Eine leichte Vorhang-Fassade ersetzte die Waschbetonelemente und alle Fenster und Außentüren wurden erneuert.
Dieses Großprojekt des Immobilienmanagements Duisburg führte zu einer energetischen Sanierung, und das äußere Erscheinungsbild der Schule hatte sich komplett geändert. Eine Renovierung des Innenraums war nicht vorgesehen. Tristesse und wachsende Frustration über diesen Zustand forderten nun selbst die Schüler heraus und so wandte sich die Schulgemeinschaft an die Architektenkammer NW. Im Herbst 2007 wurde die Schule in das KidS-Projekt aufgenommen.
Ich habe mich über die Aufgabe, die Schüler fachlich bei der Planung zu begleiten, gefreut. Da ich die Schule bereits seit 2002 kenne, konnte ich die Probleme, die die Schüler in ihrem Bewerbungsbrief ansprachen, gut nachvollziehen. Eintönigkeit, Abgenutztheit, verstaubter Zeitgeist der 70er Jahre und nun die Dissonanz zwischen Außen und Innen machten den Zustand unerträglich und forderten die Veränderung.
Für Schüler bildet der Schulraum einen ganz selbstverständlichen Ort, der nicht weiter hinterfragt wird. Eingebettet in einen routinierten Ablauf gehen sie tagaus, tagein gewohnte Wege. Was aber steckt hinter diesen Orten? Hier haben wir begonnen, und nach einer Bestandsaufnahme war auch den Schülern klar, dass es nicht reicht die Wände neu zu streichen.
Nach 30 Jahren Dauerbetrieb war ein Gesamtkonzept notwendig. Alle sollten gefragt werden und alle sollten mit anpacken. Die Schüler der Arbeitsgemeinschaft widmeten sich dieser schwierigen Aufgabe in ihrer Freizeit. So wurde ein Jahr lang geplant und die Schüler mussten vieles lernen, mussten demokratische Entscheidungen treffen und trotzdem für andere mitdenken, mussten kostensparend planen und doch Wünsche erfüllen, mussten immer wieder sich und andere motivieren. Die Schüler waren dabei neugierig, kreativ und überzeugt davon, das wir dieses große Vorhaben auch umsetzen können.
Das Konzept, das die Schüler präsentierten, überzeugte und so erhielten wir Unterstützung von der Stadt Duisburg, der IMD GmbH, der ARGE Duisburg, der GBAmbH, vielen Fachleuten und Handwerkern. Grundidee des Projektes der Architektenkammer NW ist, dass die Schüler immer "Selbermachen", und so wurde unter fachlicher Anleitung durch Maler, Betonbauer, Maurer, Künstler, Raumausstatter, Tischler und Sanitärinstallateure ein Großteil der Arbeiten selbst von den Jugendlichen ausgeführt. Es konnten nicht nur Berufe ausprobiert werden, sondern die Schüler lernten gemeinsam vorausschauend zu denken, interdisziplinär Erkenntnisse zu gewinnen, mit anderen zu planen und zu handeln. Voller Euphorie und mit einer gewaltigen Arbeitsleistung waren die Jugendlichen von der Ideenfindung über die Planung bis zur Realisierung immer mit beteiligt.
Dieses Projekt hat an der Schule viel verändert. Die Nutzer der Schule wurden nach ihren Wünschen und Bedürfnissen gefragt. Die Schüler durften in jeder Phase mit gestalten und haben ihre Umwelt aktiv beeinflusst. Es wurden zum ersten Mal Projekttage mit allen 920 Schülern durchgeführt, dabei haben einige Lehrer ihre Schüler von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Es wurden nachhaltig materielle Werte geschaffen. Den Schülern wurde Verantwortung übertragen, sie haben etwas verändert und werden zukünftig Verantwortung dafür übernehmen. Sie sind stolz auf das Geschaffene. Sie sind stolz auf ihre Schule. Sie haben die Schule zu ihrer Schule gemacht.
Denn Schulen sind weit mehr als irgendein Gebäude, sie geben die äußere Begrenzung vor, die mit pädagogischem Innenleben gefüllt wird. Die Räume müssen Schüler und Lehrer motivieren können - es sollen Orte entstehen, an die man sich als Erwachsener noch gern erinnert.
Annett Wunderlich